P. Gregor Sorger OSB

Zu den 36 Märtyrer von Tokwon, deren Seligsprechungsprozess eingeleitet wurde, gehört auch der Beuroner Mönch Pater Gregor (Ludwig Karl Friedrich) Sorger OSB.

P. Gregor Sorger OSB Ludwig Karl Friedrich Sorger wurde am 19.11.1906 in Spaichingen (Kr. Tuttlingen), das zum Bistum Rottenburg[-Stuttgart] gehört, geboren. Seine Eltern waren Dr. med. Leopold Sorger und dessen Ehefrau Paula, geb. Haller. Der Vater war Oberamtsarzt und Medizinalrat. Ludwig hatte zwei jüngere Geschwister. Etwas kurzsichtig, besuchte er die Volksschule in Ehingen, sodann das Gymnasium in Ehingen, Ulm und Rottweil. Das Abitur legte er in Rottweil ab. Er studierte zunächst fünf Semester Jura in Tübingen, trat dann - wohl noch Ende 1927 - in die Erzabtei Beuron ein. Die erste Profess erfolgte am 29.6.1929. Das Philosophiestudium absolvierte er im Kloster Maria Laach, das der Theologie in Beuron. Die Priesterweihe empfing er am 5.8.1934.

Im Jahre 1937 wurde Ludwig nach Japan in die Beuroner Neugründung Tonogaoka bei Chigasaki, südwestlich von Tokyo, entsandt. Nach Aufhebung des Priorates Tonogaoka 1940 kam er in die Abtei Tokwon. Am Seminar der Abtei unterrichtete er Musik, Englisch und Deutsch. Außerdem war er Sekretär von Abt-Bischof Bonifatius Sauer und Organist in der Abteikirche (wie schon in Beuron). Bei der Aufhebung Tokwons kam er ins Gefängnis nach Pyongyang, von dort ins Lager in Oksadok bzw. Manpo. In Manpo starb er am 15.11.1950 den Hunger- und Erfrierungstod.

(Vgl.: „Zeugen für Christus“ Bd. 2 / hrsg. von Helmut Moll. - Paderborn, 6. Aufl., 2015, S. 1666 f.)


Dokumente


Sein Lebensende

„Am Abend des gleichen Tages wanderten wir in ein neues Lager in der Nähe der Stadt, nach Quanmun-li. Dieses ist ein langgestrecktes Tal in den Bergen, in dem eine Holzbaracke neben der anderen errichtet ist. Offenbar ist es ein Zufluchtsort für koreanisches Militär oder Polizei. Die Baracken sind aus Holz und stecken halb im Boden. Das Dach geht bis auf die Erde und ist mit dünnen Brettchen bedeckt, die freilich nicht aneinander schließen. Einige Dachluken haben weder Glas noch sind sie mit Papier verklebt. Man ist also drinnen wie unter freiem Himmel, nur ist man durch die Baumäste und das Gras, das auf den Dächern liegt, gegen die Flieger getarnt. In einer solchen Baracke werden wir untergebracht. Wie peinvoll zusammengepfercht, Patres, Brüder und Schwestern in einem Raum zusammen! Ober die Bretter, die über den Lehmboden gelegt sind, ist etwas Stroh gestreut, daß es von unten her nicht gar so kalt ist. Und doch: wir frieren furchtbar Tag und Nacht. Nach einigen Tagen erhalten wir einen Ofen. Freilich können wir ihn wegen Fliegergefahr nur bei Nacht heizen. Das hat nicht viel Zweck, denn die ganze Wärme geht sofort durch die Dachlöcher hinaus. Aber es können sich wenigstens in der Nacht abwechselnd einige neben den Ofen setzen und sich etwas aufwärmen, bis dann einige andere an die Reihe kommen. Licht haben wir auch keines. Beim Essen brennen wir ein paar Holzstäbe, damit wir wenigstens unsere Schüsseln finden. Es ist gut, daß es in diesen Tagen wenig schneit, denn das Dach kann uns nicht gegen Schnee schützen. Das enge Zusammengepreßtsein ist furchtbar. Aber wir wärmen uns auf diese Weise gegenseitig, sonst würden wir fast alle erfrieren. Ohnedies erfrieren verschiedenen die Zehen; die Nägel und die Haut fallen ab, nur mehr das rohe Fleisch hängt daran. P. Gregor Sorger (von der Erzabtei Beuron) ist schon am dritten Tage ganz steif. Er verliert das Bewußtsein und stirbt in den Armen der Ärztin am 15. November. Die Kraft von Br. Hilarius nimmt mehr und mehr ab, er stirbt am 12. Dezember. Tags darauf liegt Br. Solanus bewußtlos an seinem Platz auf dem Stroh; bis wir es recht merken, ist er schon tot (13. Dezember). Einige von uns dürfen unter Aufsicht der Polizei die Baracke verlassen, und die Toten begraben. Freilich, der Boden ist so hart gefroren, daß es unmöglich ist, mit dem alten, stumpfen Pickel ein Grab zu schaufeln. Sie decken die Leichen notdürftig mit Schnee zu.

Immer wieder, Tag und Nacht, rumoren die Flugzeuge der Südtruppen über unsere Baracken hinweg. Abwehrgeschütze krachen auf allen Seiten. Eingepfercht in diesen engen Raum, niemals die Baracke verlassen dürfen, furchtbar kalt, quälender Hunger, rasselnde Flieger, nicht fliehen können, auf dem Stroh kranke und sterbende Mitbrüder, in der Baracke und draußen vor der Türe ständig ein Polizist mit Gewehr, kein gemeinsames Gebet, keine heilige Messe — ein Elend ohnegleichen. Werden wir mutlos und verzagt? Werden wir hier durch Bomben umkommen? Werden wir Hungers sterben oder alle erfrieren? Lieber Herrgott, schau auf uns in diesem Elend!“

(Quelle: Schicksal in Korea)


Bericht von Lagerärztin Dr. Diomedes Meffert OSB

P. GREGOR SORGER. Er war 1940 von Japan nach Korea gekommen und seit dieser Zeit in unserer Mission tätig. Schon der Aufenthalt im Gefängnis griff seine Gesundheit stark an. Von dauernden Durchfällen ermattet, kam er ins Lager und kam auch dort nie mehr recht zur Kraft. Von Natur aus besinnlich und ruhig und von einer geradezu kindlichen Frömmigkeit, hat er nie viel über seine Leiden gesprochen, die wohl zumeist in Überanstrengung und Hunger bestanden. Da er weniger Eignung für praktische Arbeiten zeigte, war er den persönlichen Schikanen der stets zur Arbeit hetzenden Beamten in besonders hohem Grade ausgesetzt, eine Tatsache, die ihm auch seelisch viel zu tragen gab. Allen Lagergenossen ist es wohl unvergeßlich, wie er auf den weiten Wegen zu den Feldern und Weideplätzen stets den Rosenkranz in der Hand trug. Er hat wohl ungezählte Rosenkränze gebetet. Schon die strapaziöse Flucht nach Manpo, die er zu Fuß mitmachen mußte, hatte ihn so sehr geschwächt, daß er bei den häufigen Fliegeralarmen dort im Gefängnis kaum mehr zu den Laufgängen im Hof gelangen konnte. Der Brandbombenangriff auf eben dieses Haus mit seinen furchtbaren Erregungen und der darauf folgende Kreuzweg zu einer notdürftig errichteten Gefangenensiedlung in einem nahen Bergtal zehrten seine letzten Kräfte auf. Unser Gefängnisloch war ein eiskalter, roh gedeckter Raum über dem blanken Erdboden. Zu essen gab es damals nichts als hie und da gesottene Maiskörner, und so ist P. Gregor der Not dieser Tage erlegen, man kann sagen buchstäblich verhungert und erfroren. Das war der 15. November 1950. Für ihn gab es auch keinen Nebenraum mehr, in dem seine Leiche mit Ruhe hätte liegen können. Er lag buchstäblich an der Landstraße in unserer Hütte, jeder mußte sich an ihm vorbei drücken. Es war, als entschuldige er sich noch in seiner bescheidenen Weise, daß er den Platz da wegnehme. Unsagbar arm lag er da, aber er lächelte — es war so ein kindlich-reines Lächeln, das uns, seinen gehetzten Leidensgefährten, sagte: Macht euch nichts draus, das Schönste kommt ja erst! Auch er wurde von koreanischen Gefangenen beerdigt.


Die handschriftliche Todesanzeige

(Aus den Unterlagen von Herrn Friedrich Sorger, Riedlingen)

„Nach langer Ungewissheit erhielten wir durch unsere aus Korea Ende Januar heimgekehrten Mitbrüder die traurige Nachricht, dass unser lieber Sohn und Mitbruder, der hochwürdige Herr

Pater Gregor Sorger OSB

gestärkt mit den Gnadenmitteln der hl. Kirche, am 15. November 1950 den Entbehrungen der Gefangenschaft im Lager Manpo am Jalu-Fluss erlegen ist.
Seit 1940 weilte er in der Abtei Tokwon (Korea) und wurde mit den dortigen Mitbrüdern im Mai 1949 auf Befehl der nordkoreanischen kommunistischen Regierung in die Gefangenschaft abgeführt.

Er stand im 44. Jahre seines Lebens, im 22. seiner hl. Profess und im 17. seines Priestertums.

Die Seele des teuren Verstorbenen empfehlen wir in hl. Opfer der Priester und dem Gebete der Gläubigen.

Das feierliche Totenofficium und Seelenamt in unserer Abteikirche findet statt am Donnerstag, den 18. Februar 1954, vormittags 9 Uhr.

Beuron, 10. Februar 1954

Erzabt und Konvent.“


Brief von Pater Odilo Ramroth OSB

„Frankfurt/Main, den 16.II.1954

Lieber Herr Friedrich Sorger!

Meine Absicht war, Ihnen von Beuron aus schon kurz zu schreiben über Ihren in der Gefangenschaft verstorbenen Bruder P. Gregor. Leider kam es nicht mehr dazu, so will ich es jetzt von Frankfurt aus tun, wo ich bei meinen Angehörigen für einigen Wochen weile. Ich nehme an, daß Sie von Beuron aus erfahren haben, daß am folgenden Donnerstag, den 18.II. vormittags um 9 Uhr in der Abteikirche von Beuron ein feierliches Requiem für P. Gregor gesungen wird. Gerne hätte ich Sie einmal persönlich gesprochen. Vielleicht kommen Sie einmal im Sommer nach Beuron, wo wir uns dann treffen könnten.

Ich war mit Ihrem Bruder P. Gregor schon in Japan zusammen und dann die Jahre hindurch in Korea und in der Verbannung bis zu seinem Tode. In Korea sind wir fast jede Woche einmal miteinander spazieren gegangen. Wir haben uns da auch manchmal über unsere Familienverhältnisse, unsere Jugendzeit und dergleichen unterhalten. Pater Gregor hat in Korea in der Abtei und im Knabenseminar sehr viel gearbeitet. Er war bei den Mittelschülern beliebt und hatte auch häufigen Umgang mit den Studenten der Philosophie und Theologie. Er hatte zu allen ein sehr kollegiales Verhältnis und ihnen in vielen Angelegenheiten geholfen. Er gab Unterricht in Musik, in Englisch und Deutsch. In japanischer Sprache konnte er mit den Koreanern reden, da diese Sprache ja unter der Herrschaft der Japaner alle gut konnten. Zeitweise hatte er bis zu 30 Wochenstunden. Sodann war er noch Sekretär des Hochwürdigsten Herrn Abt Bischof Sauer und Organist in der Abteikirche. Er hatte ein gerütteltes Maß von Arbeit.

Im Gefängnis in Penjang war er zunächst 3 Wochen mit mir, zusammen 18 Mann, in dem kleinen Raum von 8 qm. Bei seiner Größe hat er dort noch mehr gelitten als wir anderen. Als es ihm manchmal schlecht wurde, konnte er in einer anderen Zelle sein mit nur wenigen Mitgefangenen. Die rein koreanische Kost hat er nicht vertragen. Schon im Gefängnis hatte er ständig Durchfall, und diese Krankheit ist ihm bis zum Tod geblieben. Sie hat ihn natürlich außerordentlich geschwächt. Auf dem Transport vom Arbeitslager an die chinesische Grenze Ende Oktober 1950 war er so schwach, daß er manchmal hingefallen ist und mit seinem nicht zu schweren Rucksack nicht mehr allein aufstehen konnte. Pater Gregor hat schwer unter seinem Schicksal gelitten, aber sich doch zur vollen Hingabe an den Willen Gottes durchgerungen. Er hatte seine Befreiung sehr erhofft und auch an Beuron sehr gehangen. Gegen Ende seines Lebens war in Folge der zunehmenden Schwäche seine Lebensenergie stark vermindert. Bei einem Fliegerangriff in Manpo, wo uns die Fensterscheiben einflogen und von der Decke Stücke herunterfielen, sah ich ihn allein in einem Zimmer aufrecht knien und beten. Als wir dann bald darauf durch Brandbomben ausgebombt wurden, kamen wir in elende Holzverschläge, dort hat er die Kälte einer Novembernacht nicht überstanden. Wir fanden ihn erstarrt, aber noch lebend, unsere Ärztin (Anm.: Schwester Diomedes Meffert OSB) rieb alle seine Gliedmaßen, aber es war schon zu spät. Er empfing noch die hl. Letzte Ölung, die hl. Kommunion hatten wir alle etliche Tage vorher empfangen. Die unmittelbare Ursache seines Todes ist Erfrierung, aber sie wäre nicht erfolgt, wenn der Körper nicht schon so sehr geschwächt gewesen wäre. Auch war der Blutkreislauf gestört und das Herz nicht stark.

Nach seinem Tod hatte Ihr lieber Bruder einen ganz himmlischen, engelhaften Gesichtsausdruck, viele von uns waren davon tief beeindruckt. Ich selbst hatte von P. Gregor kurz vor seinem Tode noch ein Zeichen ganz besonders herzlicher Güte empfangen dürfen, von dem ich Ihnen einmal mündlich erzählen werde. Pater Gregor war ein sehr lieber Mensch, sehr hilfsbereit und um seinen Nächsten besorgt. Ich werde P. Gregor nicht vergessen.

Von P. Gregor hatte ich noch seinen Rosenkranz und ein Kreuz von ihm nach Beuron mitgebracht, es sollte ein Andenken für seine lieben Verwandten sein. Ich denke, daß Du zum Requiem am 18. nach Beuron fahren wirst (sic), dort wird man Ihnen diese lieben Andenken geben (sic).

Noch einmal: es würde mich sehr freuen, Sie, lieber Herr Friedrich, persönlich kennen zu lernen. Es wäre dann Gelegenheit, noch mehr von P. Gregor zu erzählen.

Von Herzen grüße ich Sie und Ihre lieben Angehörigen, mit Ihnen trauernd und betend um Ihren lieben Bruder

Ihr P. Odilo Ramroth OSB

(Pater Odilo Ramroth, geboren 29. März 1905, Profeß 8. September 1928, Priesterweihe 20. September 1931, gestorben 23. April 1992)


Brief von Schwester Diomedes Meffert OSB

„Tutzing, den 28. Febr. 1954

Sehr geehrter Herr Sorger!

Gern will ich Ihnen Ihren Wunsch erfüllen, den mir meine Mitschwester Optata Müller OSB übermittelte, und Ihnen einiges über Krankheit und Tod Ihres verehrten Hochwürdigen Herrn Bruders mitteilen. Über den Verlauf unserer gemeinsamen Gefangenschaft werden Sie im allgemeinen unterrichtet sein. Hochw. Herrn P. Gregor hat diese von Anfang an sehr hart mitgenommen. Schon im Gefängnis hat er, wie viele andere, sehr unter chronischem Durchfall gelitten, der ihn sehr schwächte und zu schwereren Arbeiten, die den Hochw. Herrn im Lager ja immer aufgebürdet wurden, von Anfang an unfähig machte. Dieser Durchfall, durch für uns ungewohnte, einseitige und mangelhafte Ernährung hervorgerufen, vermittelte kein starkes Krankheits- sondern nur Schwächegefühl und beeinflußte auch meist den Appetit nicht besonders. So hat Ihr Hochw. Herr Bruder bei seiner großen Statur ein wahres Martyrium durch den Hunger gelitten. Ich konnte ihm leider fast garnicht helfen (Durchfallmittel, die nicht anschlugen, weil entsprechende Kost nicht gegeben werden konnte - und hie und da eine stärkere Campher-Injektion - das war alles!) Bewundernswert war es, wie still er seine Leiden trug! Die Gottesmutter muß er besonders lieb gehabt haben. Sei es, daß er vom Felde heim kam, oder vor meiner ärmlichen Apotheke oder sonstwo warten mußte, immer glitten die Perlen des Rosenkranzes durch seine abgemagerten Finger. Schwächer und schwächer wurde er, dann kam die schreckliche Flucht im Okt. 1950 (Anm.: gemeint ist die Evakuierung nach Manpo). Zeitweilig konnten die Kranken fahren, aber der große Marsch in die Mandschurei und das Hocken bei bitterster Kälte auf den Feldern dort 2 Tage und 2 Nächte, das wurde niemandem erspart. Als wir nach dem Gefängnisbrand in einem ungeheizten Erdloch hausen mußten, wurde er zusehends apathisch und steifer und erlag dem Hunger und der Kälte schon in der 2. Nacht (15. November 1950). Ein engelgleiches Lächeln verklärte das Gesicht des Toten. R.i.p. Ich kann Ihnen nur gratulieren zu Ihrem „Martyrerbruder“. Möchte dies wenige Ihnen ein kleiner Trost sein.

Mit ergebenem Gruß

Sr. M. Diomedes Meffert OSB

Steckbrief

Ordensname: Gregor
Nachname: Sorger
Geboren: 19. November 1906
Geburtsort: Spaichingen (Kr. Tuttlingen)
Professort: Beuron
Profess: 29. Juni 1929
Priesterweihe: 5. August 1934
Aussendung: 1937 (Tonogaoka, Japan)
ab 1940 Abtei Tokwon (Nordkorea)
Gestorben: 15. November 1950
Todesort: Lager Manpo (Nordkorea)
Todesart: Unterernährung


Weitere Informationen