Interview mit Br. Jakobus Kaffanke zum Thema "Fasten"

Claudia Wagner: "Haben Sie den Eindruck, dass den Menschen die Kirchliche Tradition des Fastens wichtig ist?"
Br. Jakobus: "Zunächst gibt es weltweit, auch in unserer reichen Gesellschaft Menschen die Mangel leiden, Menschen die unfreiwillig verzichten und sogar hungern müssen. Von dieser Notlage unterscheidet sich die religiöse Übung des freiwilligen Verzichts auf Nahrung, Getränke, Genussmittel und Annehmlichkeiten im weiteren Sinne. - Es gibt viele Menschen die aber auch aus anderen Motivationen (Gesundheit, Schönheit, Sport usw.) fasten. Das Fasten und den Verzicht auf Fleisch wurde kürzlich acuh politisch - freilich nicht sehr erfolgreich - propagiert. Aber die Richtung ist durchaus richtig. Das kirchliche Fasten, z.B. auch wöchentlich am Freitag, hat natürlich einen tieferen spirituellen Sinn. Es gibt auch heute noch sehr viele Christen die das schätzen und praktizieren."

Claudia Wagner: "Wie gestaltet sich die Fastenzeit im Kloster Beuron, auf was verzichten die Mönche in diesen Wochen?"
Br. Jakobus: "Die Regel des Ordensgründers Benedikt von Nursia (480 - 560 in Monte Cassino) kennt genaue Fastenregeln die aber flexibel sind, d.h. es werden Unterschiede zwischen jungen und älteren Mönchen gemacht; auch Gäste müssen nicht so streng fasten wie die Mönche, weitere Ausnahmen sind die Alten, Kranke und Schwache. Konkret soll jeder Mitbruder sich persönliche Vorsätze überlegen und mit seinem geistlichen Berater/ Begleiter besprechen. Er soll in dieser Zeit auch mehr Gebet und Stille pflegen. Er soll Meditationszeiten einlegen, ein geistliches Buch von A - Z lesen. Wir verzichten konkret auf das wöchentliche Bier und den Wein am Sonntag und das gesamte Essen ist einfacher gestaltet. Der Aschermittwoch und der Karfreitag sind strenge Fast- und Abstinenztage. Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag sind fleischfrei.

Claudia Wagner: "Verzicht ist für Sie Gewohnheit? Kommt das Thema in der heutigen Gesellschaft ansonsten zu kurz?"
Br. Jakobus: "Wie schon gesagt, gibt es in unserer Gesellschaft viele Menschen, die sich einfach nicht viel leisten können, es gibt Armut. Auch Hartz IV scheint mir für eine Familie nicht üppig zu sein. Für die Mittel- und Oberschicht, für Menschen die sich etwas leisten können, hat das Thema Verzicht oft keinen besonderen Stellenwert. Da ist eine christliche/ kirchliche Erziehung und Sozialisation schon sehr hilfreich wenn nicht entscheidend. Aber auch hier muß es im Laufe der Jahre von der reinen Fastenübung zum tieferen Verständnis des Verzichts voranschreiten. Ziel ist es, dass der menschliche Geist den Körper schult und leitet; dass der Mensch zu einer Persönlichkeit reifen kann.

Claudia Wagner: "Spiritualität: Mit welcher geistlichen Haltung verbinden die Mönche die Fastenzeit?"
Br. Jakobus: "Fasten ist für Mönche und alle Christen eine geistliche Übung (lat. exercitium; griech. askesis). Andere geistliche Übungen sind Gebet, Meditation, Lesungen, Geistliche Lieder und Musik, Ikonenkunst, Nachtwachen, Prozessionen, Pilgern ...
Beim Fasten bespricht man den Verzicht mit einem geistlichen Begleiter damit man nicht übertrieben oder zur Schau fastet (Leistungsfasten). Benedikt sagt sogar, die anderen sollen es möglichst gar nicht merken. Aus der Übungszeit (Fastenzeit, Freitagsfasten..) soll man einzelne Elemente mit in den Alltag nehmen und insgesamt bescheiden, einfach und gesund leben. Da kommt auch der Aspekt des Teilens und der Solidarität mit anderen Menschen, die Hunger (= unfreiwilliges "Fasten") leiden hinzu. Das Weniger an Nahrung soll ein Mehr an geistlicher Kraft und Präsenz ermöglichen.

Claudia Wagner: "Wie vermitteln die Mönche die Haltung des Verzichts und des Fastens an die Menschen in Kirche und Gesellschaft. Gibt es Fastenkurse und Anleitungen zum Fasten?"
Br. Jakobus: "Einerseits wird das in und durch die Liturgie signalisiert. Aschermittwoch als Tag der Aschenkreuzspendung: ein Tag der die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens, von Reichtum, Wohlstand und Gesundheit thematisiert. Fastenzeit (theologisch korrekter: Österliche Busszeit), die 40 Tage einer körperlich herben Zeit, die im Karfreitag, dem Kreuzestod Jesu am tiefsten Punkt ankommt und dann in den österlichen Glanz der Auferstehung zu neuem, ewigen Leben umschwingt: erst der Verzicht und die Zurücknahme, dann die Freude und die Fülle. Spirituell ist das thematisiert im Wort: tremendum ac fascinosum, furchtbar und herrlich. - Die Liturgie wird also karger bis hin zum Karfreitag und Karsamstag. Die Orgel und später auch die Glocken schweigen, der Altar und all seine Schönheiten, Kreuze usw. werden mit Tüchern verhangen. Die Texte der Lesungen und Gesänge sind auf Verzicht, mitleiden und Entsagung abgestimmt. Im Gästehaus des Klosters werden geistliche Tage (Exerzitien) angeboten: Meditationstage mit Schweigen, Geistliche Wochenenden und Einkehrtage. Fastenvorträge, aber auch Fastenkurse und Heilfastenwochen.

Claudia Wagner: "Viele Personen verzichten in dieser Zeit bewusst auf Fleisch, Zigaretten, Alkohol, Handy u.a.m. Scheint Ihnen das sinnvoll?"
Br. Jakobus: "Ja, das alles ist sehr wertvoll, auch wenn es im nichtreligiösen Bereich angeboten wird: im Bildungswerk, in der Volkshochschule, in Fastenkliniken und Kurbädern. Natürlich ist es schade, wenn das Kommerzielle die Überhand gewinnt oder das Mondäne eines supermodernen Wellness-Hotels gewählt wird. Aber vegetarische, fleischlose Tage, Heilfasten der verschiedenen Richtungen (z.B. nach der mittelalterlichen Äbtissin Hildegard von Bingen), Wander- und Pilgertage sind sinnvoll. Zigaretten und Alkohol neigen als Suchtmittel stets zum Abusus, sie gilt es durch Verzicht immer wieder einzugrenzen und im Zaum zu halten. Hinzu kommen die modernen Medien mit Spiel- und Kommunikationssuchtpotentialen. Das kann man sportlich angehen und den zeitweisen Verzicht einüben nach dem Motto: Wer ist hier eigentlich Herr im Haus?"

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